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Vorwort
Mit unserem heutigen Wissensstand ist es spannend zu sehen, wie man sich vor einem halben Jahrhundert die Zukunft vorstellte. Raumstationen im Weltall, Riesentomaten aus dem Atomgarten und fliegende Autos sind nur einige schöne Beispiele des Retro-Futurismus. Vorstellbar war vieles, einiges davon ist auch eingetroffen. Vor rund 50 Jahren erschien das Sammelbilderalbum "Die Welt von morgen". Blechroboter wird daraus in loser Folge einige der erstaunlichsten und beeindruckendsten Beiträge zitieren.

Tomatengroße Kirschen

Riesenernte im Atomgarten

"Jeder Atomgarten liegt vorläufig noch hinter Stacheldraht. Sein gesicherter Zaun trägt Warnungsschilder. Seine Tore sind nur dem Besitzer allein zugänglich. Denn in der Gartenmitte steht ein vier Meter langes Stahlrohr, dessen unteres Ende in einer Betongrube verankert ist. Das Stahlrohr enthält ein Stück Kobalt 60. Es wird von einem sicheren Raum aus am Eingangstor jeden Tag über ein Zugseil bis in die Spitze des Rohres gezogen. Im gleichen Augenblick sendet das radioaktive Isotop eine starke Gammastrahlung aus, die für den Menschen gefährlich ist, nicht aber für die Pflanzen des Gartens. Mehrere Stunden dauert die Bestrahlung. Dann zieht man das Stück Kobalt wieder in sein unterirdisches Verlies zurück. Ist es in seiner Versenkung verschwunden, und ruht es in der Strahlungsschutz gewährenden Bleikammer, so kann der Gärtner sich in seinem Atomgarten frei bewegen. Allerdings haben Atomgarten-Besitzer andere Vorstellungen von Pflanzen und Früchten als der gewöhnliche Gärtner; denn die Gammastrahlen verändern nicht nur die Wuchs- und Blattform der Gewächse, auch ihre Farbe. Sie führt bei vielen Obst- und Gemüsesorten zu Gewichtssteigerungen der Früchte: an drei Meter hohen Maisstauden wachsen Kolben so groß wie Gurken. Kartoffeln haben die Größe von Kohlköpfen, Kirschen gleichen Tomaten, Äpfel den Kürbissen. Das sind Riesenernten!"

Blechroboter meint:

Tomatengroße Kirschen - das ist der Klassiker einer infantilen Zukunftsgläubigkeit. Größere Ernteerträge sind ja an sich nichts Schlechtes. Was aber ist, wenn ein starker Wind durch die drei Meter hohen Maispflanzen mit den gurkengroßen Kolben weht? Und wenn denn schon die Pflanzen im Garten durch die radioaktive Bestrahlung so schön groß werden, dann aber auch die tierischen Schädlinge! Fingerlange Raupen, tennisballgroße Kartoffelkäfer und Schnecken von der Größe eines Dackels. Herrliche Vorstellung. Auch die Farbveränderungen sind nicht ohne: schwarze Tomaten, blaue Kartoffeln und giftgrüne Kirschen. Ja, der Atomgärtner hat ein aufregendes Hobby. - Heute wissen wir, dass es so nicht funktioniert. Aber sind die Versprechungen von damals nicht die selben, die heute von den Gentechnik-Konzernen vorgetragen werden?

Weiter zu Teil 9: Straßen im "Maulwurfstunnel"